Kampfansage nach Ingolstadt, München und Stuttgart: Ein kilometerfressender Luxus-Viertürer mit genug Leistung, um an der Ampel fast jeden anderen Wagen stehen zu lassen. Da denkt man an AMG, M-Performance oder die Audi S-Line. Aber eben auch an deftige Preisschilder, zumindest, wenn man einen gut ausgestatteten Grand-Tourer fahren möchte.
Doch es gibt eine Low(er)-Budget-Variante aus Südkorea: Sieben Jahre lang hat man hier, auch mit der Hilfe von ehemaligem BMW M Ingenieur Albert Biermann, einen Konkurrenten entwickelt. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen: 370 PS, 510 Nm Drehmoment, Allrad und Vollausstattung für unter 60.000 Euro.
Doch kann ein Auto von Kia, sonst eher für weniger aufregende Fahrzeuge bekannt, wirklich mit den deutschen Premiummarken mithalten, die das Segment der Edel-GTs ja praktisch erfunden haben? Wir haben den Stinger zwei Wochen getestet und es herausgefunden.
Während der Stinger GT mit seinen fast zwei Tonnen Leergewicht etwas schwerer als die Konkurrenz antritt, lässt er sich das nicht anmerken. Dank einer äußerst direkten Lenkabstimmung, die schon auf kleinste Lenkradbewegungen sehr präzise reagiert, fühlt sich der Stinger nie so an, als wäre er tatsächlich so schwer und groß, wie er in Wirklichkeit ist. Durch den langen Radstand fährt der Wagen auch bei hohen Geschwindigkeiten wie auf Schienen.
Der bei der V6-Variante serienmäßige Allradantrieb sorgt zusammen mit dem verstellbaren Fahrwerk und den sehr griffigen Brembo-Bremsen für Agilität und Stabilität trotz des hohen Gewichtes. Egal ob beim Überholen auf der Autobahn, auf sich durch das Land schlängelnden Landstraßen oder im Stadtverkehr: Der Kia ist stets souverän und macht immer genau das, was der oder die Fahrer*in will – selbst bei der Höchstgeschwindigkeit von 270 km/h. Bei hohen Geschwindigkeiten wird der Wagen aber durstig. Die angegeben 10,6 Liter kombiniert sind äußerst utopisch. Realistischer sind hier eher 15 Liter pro 100 Kilometer.
Zurück zum Gewicht. Besonders leichtfüßig scheint der Wagen, wenn man die Launch Control benutzt. Mit dem System explodiert der Stinger eindrucksvoll aus dem Stand, was den 4,9 Sekundensprint von 0 auf 100 km/h ermöglicht und für breites Grinsen sorgt.
Mit einem kleinen Rädchen auf der Mittelkonsole lässt sich aus dem präzisen und fügsamen Koreaner aber auch ein ganz anderes Tier machen. Schaltet man den Wagen in den Sport+ Modus, so schickt das Allradsystem mehr Kraft an die ohnehin schon bevorzugte Hinterachse, wechselt in eine aggressivere Getriebeeinstellung und schaltet das ESP teilweise aus.
Die Konsequenz: Bissiges Ausbrechen bei großzügigem Gasfuß und die Möglichkeit den Wagen in Kurven querstehen zu lassen. Der Kontrast zwischen Sport und Sport+ Modus ist hierbei wirklich beeindruckend. Während der Sport Modus den Wagen an die Grenze des Kontrollierbaren bringen kann, ist der Sport+ Modus fast schon furchteinflößend. Dass solches Fahrverhalten niemals im normalen Straßenverkehr an den Tag gelegt werden sollte, sondern nur auf abgesperrten Strecken, erklärt sich hierbei von selbst. Seinem sportlich aggressiven Design wird der Stinger also gerecht.
Einzig allein in engen Parkhäusern und Tiefgaragen hat der Stinger in Sachen Beweglichkeit tatsächlich ein Problem. Der lange Radstand, der sonst fast nur Vorteile mit sich bringt, sorgt für einen ziemlich großen Wendenkreis. Hier verschafft allerdings die Vielzahl an Assistenzsystemen Abhilfe. Die verhältnismäßig hochauflösende 360-Grad Kamera ist beim Einparken in unübersichtlichen Situationen unersetzlich. Eine lange Motorhaube und ein bulliger hinterer Radkasten machen den Stinger nicht gerade zum Klassenbesten in Sachen Rundumsicht. Ebenfalls ein sehr praktisches Feature ist hier, dass man sich die einzelnen Einstellungen der 360-Grad-Kamera anzeigen lassen kann.
Bluetooth-Konnektivität, Apple CarPlay und Android Auto funktionieren tadellos, allerdings lassen sich während der Fahrt keine neuen Geräte hinzufügen, vorher bereits einmal verbundene allerdings schon. Zudem legt das Display nach einiger Zeit in Benutzung “Sicherheitspausen” ein, indem es den Touchscreen für 30 Sekunden sperrt. Wenn der Beifahrer während der Fahrt das Ziel im Navigationssystem ändern möchte, sorgt das System ständig für Unterbrechungen. Das ist nicht nur zeitverschwendend, sondern wirkt einfach nicht sonderlich gut durchdacht, schließlich sollte der Fahrer immer auf die Straße vor sich schauen und nicht erst dann, wenn der Wagen ihm eine Zwangspause am Display verordnet.
Der Touchscreen reagiert gut, aber nicht exzellent. Das Head-Up-Display ist allerdings herausragend integriert und ergänzt die anderen Displays. Hier werden momentane Geschwindigkeit, die zulässige Höchstgeschwindigkeit, Informationen des Navigationssystems und des Spurhalteassistenten angezeigt. Das Display lässt sich in Farbe und Helligkeit individuell einstellen und ändert im Sportmodus die Zeichen der Anzeige zu kursiv, vermutlich um Dynamik zu demonstrieren – als ob der Sportmodus dies nicht schon genug tun würde.
Der Spurhalteassistent im Kia funktioniert rein technisch betrachtet ausgesprochen gut. Der Assistent versucht permanent, den Wagen in der Spurmitte zu halten, tut dies allerdings sehr aggressiv und greift sehr oft korrigierend ein. Letztendlich war dies vor allem im Stadtverkehr so nervig (und bei halb auf unserer Spur fahrenden LKW so gefährlich), dass wir den Assistenten abstellen mussten. Bei hohen Geschwindigkeiten auf der Autobahn war der Spurhalteassistent allerdings extrem praktisch und half beispielsweise bei Seitenwind, den Wagen in der Spurmitte zu halten, was vermuten lässt, dass er eher auf diese Nutzung ausgelegt ist.
Kurios: Unser Testwagen erlaubte es, die Hände so lange vom Lenkrad zu nehmen, wie wir wollten, ohne jeglichen Warnhinweis anzuzeigen. Es ist aber davon auszugehen, dass es sich hierbei um einen technischen Fehler handelte. Der adaptive Tempomat im Kia funktioniert gut und erkennt vorausfahrende Fahrzeuge schnell und eindeutig.
Nun zum großen Trumpf des Stingers gegenüber den Konkurrenten aus Deutschland: Für den Preis, bei dem die Modelle von Mercedes, Audi und BMW teils noch nicht einmal in den billigsten Ausführungen erstanden werden können, bietet der Koreaner beinahe Vollausstattung. Ein mit dem Kia vergleichbarer Audi S5 kostet ohne Extras 66.500 Euro, etwa 10.000 mehr als der Stinger. In Vollausstattung durchbricht der Ingolstädter sogar die 100.000-Euro-Schallmauer (Preise mit 19% MwSt.).
Viele sonst teure und luxuriöse Ausstattungsmerkmale sind demgegenüber beim Kia Standard, beispielsweise die Sitzlüftung vorne und die Sitzheizung auf den Rücksitzen. Der Kia ist gut schallisoliert, selbst bei 250 km/h versteht man das eigene Wort. Die Ruhe wird aber gestört, wenn die Scheibenwischer angeschaltet werden, die im Betrieb bei hoher Geschwindigkeit extrem laute Geräusche von sich geben.
Der Innenraum wirkt sehr robust und edel, Plastik in Aluminium-Optik gibt es zwar auch, aber lediglich stellenweise. Auch ist uns der Alcantara-Dachhimmel aufgefallen, der sich in unauffälligem Schwarz erst dann bemerkbar macht, wenn man ihn berührt – und dann aber positiv überrascht. An kalten Tagen freute man sich über eine Lenkradheizung und eine dreistufige Sitzheizung.
Der mit 406 Litern durchschnittlich große Kofferraum bietet genug Platz für Reisegepäck für Vier, für einen Umzug reicht es aber nicht. Dafür ist der Stinger aber auch nicht gemacht. Aufgrund der Karosserieform sind die Rücksitze nicht für Zwei-Meter Riesen geeignet, mit 1,85 Meter kommt man aber bequem unter.
Mag man es offen, kann man den Stinger auch mit einem Panoramadach ausstatten lassen. Neben einer Sportabgasanlage mit Klappen und Sonderlackierungen ist das Panoramadach das einzige Extra, das bei der V6-Variante dazugekauft werden muss. Die Anlage im Stinger liefert ein sehr angenehmes Klangbild und kann über den Equalizer in den Einstellungen noch individuell angepasst werden.
Der Stinger ist, wenn man das nötige Kleingeld hat, eine solide Alternative zu den horrend teuren GT-Schleudern aus Deutschland, vor allem wenn man Wert auf Vollausstattung legt. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist aber auch das stärkste Argument des Kia. Überall sonst haben die Platzhirsche die Nase noch ein wenig vorne. Die Unterschiede sind allerdings so gering, dass sie sich auch als Kinderkrankheiten erweisen können. Die Frage, ob dem so ist, wird eher nicht mehr geklärt werden: Eine neue Generation ist derzeit nicht geplant und das Facelift von diesem Jahr brachte nur marginale Veränderungen.
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