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Differentialsperre: Aufgabe und Funktion
11. April 2023
Autoteile & Technik

Differentialsperre: Aufgabe und Funktion

Die Differentialsperre hat viele Namen: Sperrdifferential, Sportdifferential, Quer- oder Längs-Sperre, Sperrdiff, oder einfach Diff. Gemeint ist stets ein Bauteil, dass den Drehzahlunterschied zweier angetriebener Räder oder Achsen reduziert, oder angleicht. Auf diese Weise geht‘s sicherer durchs Gelände, oder sportlicher um die Kurve. Oder auch eleganter, beim Driften, welches ohne Sperrdifferential kaum möglich ist. Besonders Fahrzeuge, die auch sportlich unterwegs sein wollen, brauchen sie.

Ein normaler 08/15-Pkw mit Frontantrieb – bei wenig Leistung auch bei Heckantrieb – kommt in der Regel ohne aus. Von den Vorteilen, wie ein Sicherheitszuwachs in kritischen Fahrsituationen, sicherere Lastwechsel, oder mehr Traktion beim Beschleunigen auf nasser Fahrbahn, profitieren allerdings alle Autos. Dennoch findet man das Bauteil traditionell in Gelände- und Sportwagen, sowie sportlich abgestimmten Autos. Es gibt allerdings auch einfachere Versionen und solche die im Prinzip nur Software sind: Sie stecken in vielen SUVs, Mittelklasse- und Kompaktwagen. Funktionsweise und Wirkung unterscheiden sich sehr stark. Wie Differentialsperren funktionieren, wer ein echtes Diff benötigt und woran Du es erkennst, erfährst Du hier.

LSD für’s Auto: Das macht ein Differential

Im Diagramm gut zu erkennen: Die Außenräder haben einen weiteren Weg zum Kurvenmittelpunkt als die Inneren (Bild: GRAHAMUK on en.wikipedia, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons))

Einen ebenfalls häufig verwendeten Begriff erwähnten wir noch nicht. Limited Slip Diff (kurz LSD) im Englischen, erklärt die Hauptfunktion vermutlich besser: Die Begrenzung des Schlupfs, bzw. Traktionsverlustes, an einzelnen Reifen und die automatische Verteilung der Kraft an das Rad mit der meisten Traktion, zum gegebenen Zeitpunkt. Aber von Anfang. Um zu verstehen, wie eine Differentialsperre funktioniert, müssen wir erst das Problem erklären, das Differentiale lösen. Ein Problem, dass bereits Kutschenbauern bekannt war.

Frühe Autos, deren Räder von Kutschen kamen, hatten Starrachsen. Beide Räder waren über eine starre Welle verbunden und konnten sich immer nur gleich schnell drehen – manche Modelle wie der Ford Capri funktionierten noch bis in die 1980er so. Das führt in engen, schneller gefahrenen Kurven zu einem Rutschen oder Hüpfen der Achse. Denn das kurvenäußere Rad muss immer eine weitere Strecke zurücklegen als das kurveninnere. Ein Rad müsste sich schneller drehen können als das andere. Geschieht das nicht, fängt das langsamere Rad im Kurveninneren an zu blockieren.

Erste Differentialgetriebe (auch: Ausgleichsgetriebe) erlaubten unterschiedliche Raddrehzahlen und später (bei Allrad-Fahrzeugen) ermöglichten es die Geschwindigkeiten zwischen Vorder- und Hinterachse auszugleichen. Das führt zu einem komfortableren, homogenen Fahrgefühl. Ein Kegelradgetriebe gleicht die unterschiedlichen Wellen-Geschwindigkeiten an. Dessen mechanische Funktionsweise unterscheidet sich nicht sonderlich vom Mahlwerk einer Windmühle aus dem Mittelalter.

Aber das Differential hat einen Nachteil. Wenn ein Antriebsrad keine Traktion hat, weil es zum Beispiel in der Luft hängt oder auf Eis steht, kommt das Auto nicht mehr voran. Die gesamte Kraft gelangt an das Rad, das sich besonders leicht drehen lässt und das greift gerade nicht. Ebenfalls kritisch: Auf der Rennstrecke kommt mehr Kraft am kurveninneren Rad an, weil es gerade über die Federung entlastet wird. Das kann dazu führen, dass es durchdreht, was wertvolle Sekunden kostet. Um solche Szenarien zu verhindern, rüsten Hersteller ihre Autos mit Differentialsperren aus.

Für eine anschaulichere Beschreibung der Funktionsweise im Allgemeinen hilft Audis Visualisierung Ihres Quattro-Systems. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten wie diese Systeme funktionieren können, aber im Prinzip helfen Sie alle dabei den Schlupf an einzelnen Rädern zu regulieren. Eine Differentialsperre kann diesen Effekt temporär unterbinden.

Differentialsperre: Diese Systeme gibt es

Differentialsperren gleichen den Nachteil von Differentialen aus. Sie sorgen dafür, dass stets ein gewisser Prozentsatz der Motorkraft an allen Antriebsrädern anliegt. Sie sperren die Wirkung des Differentials zu einem gewissen Grad. Das funktioniert bei Autos mit Front-, Hinterrad- und Allradantrieb gleichermaßen. Wie sie das tun, hängt vom speziellen Typ ab, denn es gibt viele Unterschiede.

Drehzahlabhängige Differentialsperre (Visco-Kupplung, Haldex-Sperre)

Bei diesem Frontmotor-frontgetriebenen Audi, lassen sich die Hinterräder bei Bedarf mit Visco-Kupplung zuschalten (unten rechts). Das Differential ist an den Hinterrädern (unten links). (Bild: Audi)

Eine klassische Bauform ist die drehzahlabhängige Differentialsperre. Sie befindet sich zwischen zwei Antriebsrädern oder Antriebsachsen. Sobald es einen Drehzahlunterschied gibt, baut eine eingebaute Pumpe Öldruck auf. Alte Systeme arbeiten rein mechanisch. Sie nutzen den Drehzahlunterschied selbst, um die Pumpe anzutreiben. Neuere Versionen erkennen per Sensor den Unterschied und aktivieren eine elektrische Pumpe. Sie arbeiten spontaner und präziser.

In beiden Fällen presst der steigende Öldruck Kupplungen zusammen. Beide Seiten der Achse werden miteinander verbunden und reduzieren so den Drehzahlunterschied. Sie verteilen also das Antriebsmoment auf beide Räder. Je höher der Öldruck, desto enger die Verbindung und desto höher die Sperrwirkung. In Fachkreisen spricht man von Visco-Kupplungen, weil die Sperrwirkung mit der Viskosität des Öls hergestellt wird.

Solche Systeme stecken oft in Allradfahrzeugen, die aus Gewichts- oder Kostengründen nicht über ein klassisches Mitteldifferential verfügen. Denn sie gleichen nicht nur Drehzahlunterschiede aus. Sie können auch eine Achse entkoppeln und nur bei Bedarf mit Kraft versorgen, was den Kraftstoffverbrauch verringert. Der Markenname Haldex hat sich dafür etabliert, die Technik kommt zum Beispiel im VW Golf oder im Audi Q3 zum Einsatz. Allerdings nutzen auch Supersportwagen wie der Lamborghini Aventador oder der Bugatti Chiron solche Haldex-Kupplungen.

Drehmomentabhängige Differentialsperre (Torsen-Sperre)

Hinterachse eines Audi RS 6 mit Quattro Sport-Differential in der Mitte. (Bild: Audi)

Eine andere Möglichkeit die Kraft zu verteilen, ist die drehmomentabhängige Differentialsperre. Auch sie reagiert, wenn sich Antriebsräder oder -achsen unterschiedlich schnell drehen. In ihr arbeitet eine Mechanik aus schräg und gerade verzahnten Zahnrädern (Torsen-Sperre), oder Lamellenpaketen (Lamellen-Sperre, Kronenrad-Sperre). Je nach Ausführung leiten sie Drehmoment an die Achse oder das Rad, um welches sich langsamer dreht.

Diese Art der Differentialsperre zeichnet sich durch eine kompakte Bauform und eine schnelle, automatische und berechenbare Reaktion aus. Moderne Varianten sind wartungsfrei und sehr haltbar. Man findet diese Sperre an der Antriebsachse vieler Sportwagen (zum Beispiel Porsche 911, Ford Mustang, BMW M3) und im Mitteldifferential sportlich ausgelegter Allradmodelle (zum Beispiel BMW M5 oder Audi RS6).

Elektronisch gesteuerte Differentialsperre

Golf 8 Variant R mit elektronischer Differentialsperre. Das System ermöglicht starke Querbeschleunigen bei kompakten Abmaßen. (Bild: VW)

Eine relativ neue Art der Differentialsperre reagiert nicht mechanisch auf Drehzahlunterschiede, sondern nach den Vorgaben eines Steuergeräts. Bei dieser Variante platzieren die Ingenieure je eine Kupplung vor einem Antriebsrad. Ein Computer entscheidet, wann und wie sehr welche Kupplung schließt. Es ist also möglich, die Antriebskraft vollvariabel zwischen zwei Rädern zu verteilen.

Diese Art Differentialsperre kommt im Ford Focus RS aus den Baujahren 2016 bis 2018 zum Einsatz. Außerdem arbeitet sie im Opel Insignia B (2017 – 2022). Aktuell steckt sie im VW Golf R, Tiguan R sowie im Audi RS3. Bekannt ist sie unter dem Namen „Dynamic Torque Vectoring System“ (Ford) oder „Torque Splitter“ (Audi). Dieses System erlaubt mit überschaubarem Aufwand und Gewicht eine dynamische Lastverteilung bei einfachen Allradsystemen. Ford, VW und Audi bieten sogar „Drift-Modes“ für die Autos an, die Querfahren auch mit den Allradsystem erlauben sollen.

Vollsperren und Festwertsperrdifferentiale

Bei Geländewagen lassen sich die Front-, Mittel- und Heck-Differentialsperren oft per Knopfdruck mechanisch und separat sperren. (Bild: iStock)

Meist kommen in Serienfahrzeugen die genannten, variablen Sperrsysteme zum Einsatz. Einige Modelle arbeiten jedoch mit sogenannten Voll- oder Festwertsperren. Vollsperren überbrücken ein Differential. Damit sorgen sie dafür, dass an beiden Rädern gleich viel Kraft ankommt. Vollsperren gibt es nur in Geländewagen wie der Mercedes G-Klasse, oder dem Jeep Wrangler Rubicon. Sie lassen sich in der Regel manuell zuschalten.

Festwertsperren haben, wie der Name andeutet, einen fixen Sperrwert, der sich jedoch je nach Fahrsituation unterscheiden kann. Unter Motorlast (beim Gas geben) liegt ein anderer Sperrwert an als im Schubbetrieb (Auto rollt ohne Gas). Die Angabe „20/80%“ bedeutet zum Beispiel, dass im Lastbetrieb höchstens 20 Prozent Drehmomentdifferenz zwischen den Rädern anliegt, im Schubbetrieb aber bis zu 80 Prozent Differenz. Solche Sperren gibt es auch in älteren Sportwagen von Porsche, wie dem legendären 911 Carrera RS 2.7 von 1972.

Voll-elektronische Sperre per Bremseingriff

Das e-Diff misst den Schlupf über Steuergeräte und lässt die Sperrwirkung über die konventionelle Bremse wirken. (Bild: ZF)

Eine elektronische Differentialsperre (auch „e-Diff“ genannt) ist keine Sperre im klassischen Sinn. Dennoch setzt sie sich gerade stark durch. Die Bordelektronik stellt mit den Daten der Rad-Drehzahlsensoren fest, ob sich ein Antriebsrad deutlich schneller dreht als das andere. Zum Beispiel bei einem Rad auf Eis, oder auch nur bei leichtem Untersteuern. Dann bremst die Elektronik mit der gewöhnlichen Scheibenbremse dieses Rad gezielt ab.

Dadurch steigt der Energieaufwand dieses Rad anzutreiben. Weil sich die Antriebskraft des Motors stets den einfachsten Weg sucht, gelangt sie zum anderen Rad, das Traktion hat. Der gesamte Prozess geschieht idealerweise automatisch, in Sekundenbruchteilen. Der Fahrer bemerkt oft nicht einmal, dass ein Traktionsproblem bestand.

Die elektronische Differentialsperre beschleunigt also nicht ein langsames Rad, sondern verlangsamt ein schnelles. Ein probates, günstiges und gewichtssparendes Mittel die Funktion eines Sperrdifferentials zu imitieren, aber keine Sperre im klassischen Sinne. Dennoch sind diese Systeme sehr fähig: Supersportwagenhersteller McLaren verbaute diese aus der Formel-1-stammende Technik erstmals 2011 im MP4-12C, bei ihrem Wiedereinstig ins Fahrzeuggeschäft. Seitdem besitzen alle ihre Sportwagen dieses System. Nicht einmal zehn Jahre später findet sich die Technik nun auch im Serienumfang eines VW Golf wieder.

Bei Elektroautos, insbesondere solchen mit Radnabenmotoren, ist das E-Diff jetzt schon der absolute Standard. Da E-Maschinen das Drehmoment ohnehin sehr feinfühlig per Software regulieren können, brauchen sie kein klassisches, mechanisches Differential. Das Ansetzen der Bremse ist hier ausreichend für die Sperrwirkung.

Differentialsperre: Umgang, Vor- und Nachteile

(Bild: McLaren Automotive Company)

Sollte für Deine fahrerischen Zwecke eine Quersperre bedeutsam sein, musst Du ihre Funktionsweise kennen und sie richtig einsetzen. In vielen Geländewagen kannst Du sie manuell zuschalten. In Sportwagen passiert das automatisch, aber mit unterschiedlichen Effekten. Es ist daher sinnvoll, ein Urteilsvermögen für die Funktionsweise und den Umgang mit dieser Technik aufzubauen. Dafür empfiehlt es sich, die Sperre auf sicherem Terrain auszuprobieren. Vor allem dann, wenn Du auf ein unbekanntes Auto umsteigst.

Mit gesperrten Differentialen kommst Du auf der Rennstrecke und im Gelände besser voran. Dort sind Differentialsperren Pflicht. Nachteile gibt es kaum. Ihr Mehrgewicht hält sich in Grenzen, sie kompensieren es problemlos mit ihren Funktionen. Es lohnt sich, das Geld für sie auszugeben. Im Alter kann sich Verschleiß zeigen. Aber so ist es ja mit fast allen Bauteilen eines Autos.

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Titelbild: Audi

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